Výdenské Svobodné Listy „Wiener Freie Blätter“, Nr. 45-46, November 2023
Sie treffen sie im Ministerium, Rathaus und im Verein Marjanka
Das Zustandekommen dieses Gesprächs ist dem „Kirtag des Heiligen Wenzel“ zu verdanken, der an der Tschechischen Botschaft in Wien stattgefunden hat. Dort traf ich zum ersten Mal Michaela Jana Löff. Bekannt gemacht hat uns Martina Canova, die Obfrau des Vereins. Marjanka. Bald war mir klar, dass ich Sie, liebe Leser mit den Lebensstationen dieser sympathischen Österreicherin bekannt machen möchte.
Seit unserer Begegnung an der Botschaft vergingen mehrere Wochen, bis ich Michaela Jana Löff im Zentrum Wiens wieder getroffen habe, um mir eine Stunde ihres vollen Terminkalenders zu schenken.
Michaela, sehr viele Österreicher haben tschechische Wurzeln. Wie ist das konkret in Ihrem Fall?
Ich habe Tschechisch von meiner Großmutter gelernt, die gemeinsam mit mir und meinen Eltern in unserem Haus in Wien gelebt hat. Mit ihr bin ich oft nach Uhersky Brod und Luhacovice gefahren, wo der andere Teil unserer Familie lebte. Die Schwestern und der Bruder meiner Großmutters und auch ihre älteste Tochter, meine Tante. Meine Großmutter wurde in Tschechien geboren. Im Jahr 1927 heiratete sie meinen Großvater, einen Österreicher in Wien. Im Jahr 1934 zogen sie wieder zurück nach Brünn. Zur Zeit des Prager Frühlings kamen meine Großeltern wieder zurück nach Wien, gemeinsam mit meiner Mutter. Sie hat dann in Wien auch einen Österreicher geheiratet und im Jahr 1975 bin ich in Wien zur Welt gekommen. Von klein auf bin ich in die damalige Tschechoslowakei gefahren. Ich hatte dort eine Cousine und Cousins, die ich sehr geliebt habe. Ungefähr seit meinem zehnten Lebensjahr habe ich angefangen mir bewusst zu werden, dass ich mich zwischen zwei gänzlich verschiedenen Welten bewege.
Wie hat dieses Bewusstsein konkret ausgesehen?
Mir tat es schrecklich leid, dass ich meinen Verwandten aus Tschechien, nicht in Wien zeigen konnte, nicht meinen Garten oder meine Spielsachen. Ein einziges Mal ließ man meine Tante nach Wien, weil sie meine Taufpatin war, beim nächsten Mal wieder meine Cousine. Immer kamen sie einzeln, niemals durfte die ganze Familie auf Besuch nach Wien kommen. Auch verstanden meine Mitschüler, die Kinder von Emigranten aus der Tschechoslowakischei waren nicht, dass ich eine tschechische Großmutter in Wien habe und trotzdem mit ihr auch nach Mähren fahren darf. Etwas, dass für sie nicht möglich war.
Vor dem Jahr 1989 herrschten an der Tschechoslowakischen Grenze, ganz besonders für westliche Ausländer, sehr strenge Kontrollen. Die Zöllner zögerten buchstäblich nicht ein Auto „auseinander zu nehmen“. Hat das auch Sie betroffen, als sie aus dem Westen auf Besuch gekommen sind?
Ja, das war bei uns auch so. Wenn vor uns zum Beispiel nur drei Autos gestanden sind, dann mussten wir trotzdem oft mehrere Stunden an der Grenze warten. Meine Großeltern gaben den Zöllnern manchmal Schokolade und Kaffee, um die Einreise zu beschleunigen. Ich kann mich auch an eine einschneidende Begebenheit im August 1989 erinnern, als wir in Uhersky Brod zu Besuch waren. Die Polizei hielt uns im Auto an der Straße an. Wegen des Jahrestags der russischen Okkupation im August des Jahres 1989, waren wohl die alle repressiven Einheiten in Alarmbereitschaft. Auf ein Auto mit österreichischem Kennzeichen hatten sie besonders ein Auge geworfen. Meinem Vater wurde befohlen, dass wir alle aussteigen müssen, und der Kofferraum zu öffnen ist. Mein Vater hat das Aussteigen verweigert, er hat eine Begründung dafür verlangt, weshalb er das tun sollte, denn er ist sich keines Vergehens bewusst. Die Polizisten befahlen uns zur Polizeistation zu fahren. Dort hat man uns getrennt. Ich habe durch die Tür gehört, wie mein Vater sehr bestimmt und laut immer wieder wiederholt hat, dass er Rechte als österreichischer Staatsbürger hat, auf die er besteht. Er hat sich weiter geweigert, den Kofferraum aufzumachen, wenn sie ihm nicht sagen, weshalb. Das Ganze dauerte sicher 2 Stunden, dann hat meine Mama ihm gesagt, dass er endlich den Kofferraum aufsperren soll, denn meine Schwester und ich haben Angst und Hunger und wollen nach Hause. Und so geschah es auch. Nach einer peniblen Durchsuchung des Wagens, in dem sie nichts gefunden haben, wurden wir freigelassen. Später habe ich meinen Vater gehört, wie er mit der Österreichischen Botschaft in Prag telefonierte und sich über die Tschechoslowakische Polizei beschwerte. Die Antwort der Botschaft war, er hätte doch einfach den Kofferraum aufsperren und keinen Aufstand machen sollen, wenn man doch wusste, dass der Jahrestag der Niederschlagung des Prager Frühlings bevorstand. Ich selbst habe gespürt, dass hier ein großes Unrecht geschieht. Damals, ich war gerade 14 Jahre alt, fasste ich zum ersten Mal den Gedanken, dass ich eines Tages Recht studieren werde.
Rechtswissenschaften haben sie auch erfolgreich studiert und zurzeit arbeiten sie beim Bundesministerium für Inneres. Aber sie sind auch, ich benenne es auf Tschechisch „Vizebürgermeisterin des 22. Wiener Gemeindebezirks“. Wie war ihr Weg in die Politik?
Vielleicht erinnern sie sich an die sogenannte „Ibiza-Affäre“ vor einigen Jahren. Meine Nachbarn haben sich damals sehr beschwert über die Politik, auch über die Demokratie bei uns – überhaupt über Vieles. Ich sagte mir damals, ich zeig Ihnen jetzt, dass in der Politik auch ein ganz gewöhnlicher integrer Mensch bestehen kann. Außerdem habe ich mir damals selbst gedacht, dass es in der Politik noch immer viel zu wenige Frauen gibt. Wenn man etwas daran ändern möchte, dann ist es notwendig, nicht nur zu Hause zu sitzen und sich zu ärgern, sondern auch selbst etwas dagegen etwas zu tun. Darum bemühe ich mich.
Zu Beginn unseres Gesprächs, haben wir uns darüber unterhalten, dass wir uns über den Verein Marjanka bekannt gemacht haben, bei dem Sie Mitglied sind. Wie kam das zustande?
Vor ungefähr zwei Jahren war ich in den Blumengärten Hirschstetten bei mir im 22. Bezirk, wo in einem der großen Glashäuser ein Kulturprogramm stattgefunden hat. Dort sah und hörte ich zum ersten Mal die tschechische und mährische Folklore Darbietung von Marjanka. Ich fing an mitzusummen, denn ich kannte viele der Lieder. Nach dem Auftritt haben Martina Canova unsere Kontakte ausgetauscht. Später haben wir uns getroffen und wenn es meine Zeit erlaubt, dann nehme ich an den Aktivitäten von Marjanka gerne teil.
Unser Gespräch endet hier. Unsere Leben gehen weiter. Ich bedanke mich bei Michaela Jana Löff, für unsere angenehme Begegnung, wünsche Ihr sehr viel Freude, Gesundheit und Glück. Für die Redaktion Josef (Joza) Kolar.